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Dauerbrenner

Pforzheimer Gebührenpraxis für rechtswidrig erklärt

Rechtsstreit Antifaschist­Innen ./. Stadt Pforzheim wegen Verwaltungs­gebühren für Demonstrationen (Presseinfo VVN/BDA Karlsruhe)
Pforzheimer Gebührenpraxis für rechtswidrig erklärt/

Für angemeldete Demonstrationen gegen Neonazi-Aufmärsche hatte die Stadt Pforzheim im Februar und Juli 2005 Gebühren in Höhe von 150, 100 bzw. 20 Euro erhoben. AntifaschistInnen hatten dagegen beim Verwaltungsgericht in Karlsruhe geklagt und wurden von der Pforzheimer „Initiative Gegen Gebühren für Grundrechte“ (IGGG) unterstützt mit der Forderung “Das Grundrecht auf Versamm­lungsfreiheit darf keine Frage des Geldbeutels sein!“. Die Klagen waren erfolgreich. Das Gericht entschied am 29. März 2007 in allen drei Fällen, dass die Gebührenfestsetzung aufzuheben ist. Eine Revision gegen das Urteil ist zugelassen.

Einer der Vorreiter der Tendenz zur Einschränkung des Demonstrationsrechts ist die Stadt Pforzheim. Sie erhebt als einzige in Baden-Württemberg seit Jahren grundsätzlich von AnmelderInnen von Kundgebungen und Demonstrationen Verwaltungsgebühren für die jeweils erteilten Auflagen. Verhandelt wurden drei exempla­rische Fälle. Viele inzwischen eingelegte Widersprüche gegen die Gebühren ruhen bis zum Abschluss des Rechtsstreits. Dem Urteil kommt eine positive Signalwirkung zu.
Zu den drei Fällen
Eine Gebühr von 150 Euro zu den Auflagen für eine Gegendemonstration am 23.02.2005 gegen die neonazistische Fackelmahn­wache auf dem Wartberg anlässlich der alliierten Bombardierung Pforzheims und von 100 Euro zu einer geschichtlichen Gedenkkundgebung an der ehe­maligen „Adolf-Hitler-Schule“, heute Nordstadtschule, an welcher an die Vergangenheit erinnert werden sollte, wurde verfügt. Im zweiten Fall wurde per Auflage durch Verlegung der Demonstrations­route der angemeldete Bezug zunichte gemacht und obendrein eine Gebühr dafür verlangt - eine in doppeltem Sinne gegen den anti­faschistischen Gründungskonsens der Verfassungsväter gerichtete politische Einflussnahme der Stadt Pforzheim. Der dritte Fall betraf eine antifaschistische Demonstration im Juli 2005, für deren Auflagen 20 Euro Gebühr verlangt wurden.
Zur Position der Stadt Pforzheim

Der Rechtsvertreter der Stadt verglich Verwaltungsleistungen im Zusam­menhang mit der Ausübung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG mit Baugeneh­migungen. Der Verwaltungsrechtsrat sprach von der Ver­pflichtung der Stadt zu einer „präventiven Eingangskontrolle“ bei angemel­deten Demon­strationen. Zur ver­fassungs­recht­lichen Argumentation der Rechtsanwältin der Kläger gegen die Gebüh­ren­­­er­he­bung meinte er, dass „der Art. 8 GG keine Gebührenfreiheit gebiete“ und diese Frage „nicht mit grund­recht­lichen Metaphern überwölbt werden sollte“. Die Demonstration des rechtsextremistischen „Freundes­kreises ‚Ein Herz für Deutschland’ Pforzheim e.V.“ sei genauso zu behandeln wie eine antifaschistische Demon­stration. Zur Zweckbe­stim­mung bei den vorliegen­den Auflagen sagte er, dass durch Trennung der rechten und linken Demon­strationen dafür zu sorgen sei, dass wir „keine Weimarer Verhältnisse bekommen“.
Unsere Bewertung

Wenn die Stadt Pforzheim Auflagen für Demonstrationen auf eine Stufe mit baurecht­lichen Genehmigungs­auflagen stellt, beweist sie einen grundlegenden Mangel an Verständnis für demokratische Freiheits­rechte und hat offenbar nicht begriffen, dass Demonstrationen und Kundgebungen lediglich einer Anmeldung, nicht aber einer Geneh­mi­gung bedürfen. Von diesem gegen die Verfassung gerichteten Geist der Stadt Pforzheim ist ihre gesamte Argumentation im Rechtsstreit beseelt. Hier wird mit der seit Jahrzehnten praktizierten Extremismus-Lüge (Linksextremisten gleich Rechts­­extremisten) vergessen gemacht, dass nach Art. 139 GG die zur Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militaris­mus erlassenen Rechtsvorschriften fort gelten. Der Grundsatz „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ gilt auch heute noch. Die behördliche Praxis gemäß Extremismus-Lüge hat sich inzwischen zum staatlichen Schutz für Nazi-Aufmärsche entwickelt, obwohl solche Organi­sationen wie die NPD und die „freien Kameradschaften“ aufgelöst und verboten gehören. In diesem Schema erscheinen gegen Nazis gerichtete Demonstrationen als lästig. Die Weimarer Demokratie wurde von Rechts zerstört, durch die Weltmacht­ansprüche der deutschen Groß­industrie und der Banken und durch die von ihnen an die Macht gebrachten Hitlerfaschisten. Der Weg dafür wurde geebnet durch Abbau sozialer und demokratischer Rechte. Mitverant­wortlich für den Untergang von Weimar sind Verwaltungsleute auf allen Ebenen, die die Faschisten gewähren lassen haben. Eben jene, die heute vorgeben, den erneuten Untergang der Demokratie verhindern zu wollen, befördern ihn, indem sie die Demokratie wehrlos gegen Rechts machen, indem sie die Verteidiger von Demokratie, Sozialstaat und Antifaschismus in die linke Ecke abschieben und mit politisch motivierten Auflagen und Gebühren behindern. Die Pforzheimer Gebührenpraxis muss zu Fall gebracht werden.


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