Dauerbrenner
Ansprache von Frau Christel Augenstein, Oberbürgermeisterin der Stadt Pforzheim, anlässlich der Einweihung des Gedenksteins für die ermordeten Mitglieder der „Réseau Alliance“ am 25. Januar 2008.
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Sehr geehrte Herren, sehr geehrte Damen,
meine sehr verehrten Gäste,
mes chers amis de France,
wir sind heute zusammengekommen, um im Rahmen einer Feierstunde der in Pforzheim im Jahre 1944 ermordeten 25 Mitglieder der französischen Widerstandsgruppe „Réseau Alliance“ zu gedenken. Unter uns befinden sich hochrangige Persönlichkeiten aus Frankreich, die ich – zugleich auch im Namen meiner Kollegen im Bürgermeisteramt, Herrn Ersten Bürgermeister Andreas Schütze und Herrn Bürgermeister Gert Hager - namentlich willkommen heißen darf.
Ich begrüße Herrn Generalkonsul Christian Dumon vom französischen Generalkonsulat aus Stuttgart zusammen mit dem Verteidigungsattaché der französischen Botschaft in Berlin, Herrn Generalmajor Alain Daniel. Mein Gruß gilt dem Repräsentanten des französischen Verteidigungsministeriums Herrn Michel Talon, dem Vizepräsidenten de la Communauté Urbaine de Straßbourg, Herrn Robert Grand.
Unter uns befinden sich Frau Monique Miquel Moncomble, Präsidentin der Vereinigung „Alliance“ und Herr Colonel Christian Meric ebenso wie Frau Mireille Hincker, Präsidentin der Vereinigung „Souvenir Francais“, Herr General Pierre de Percin, Ehrenpräsident dieser Vereinigung, und Herr Colonel Bernhard Schenk.
Die Ehre seines Besuches erweist uns auch Herr Generalleutnant a. D. Jean Louis Brette, ehemaliger Oberbefehlshaber der französischen Streitkräfte in Deutschland.
Zahlreiche örtliche Repräsentanten von „Souvenir Francais“ sind heute gemeinsam mit den Hinterbliebenen der ermordeten Widerstandskämpfer zu uns nach Pforzheim gekommen.
Ich begrüße das Mitglied des Landtages von Baden-Württemberg, Herrn Abgeordneten Dr. Hans-Ulrich Rülke, zugleich auch in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der FDP-Gemeinderatsfraktion unserer Stadt.
Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg wird durch Herrn Konrad Pflug, Leiter Gedenkstätten, vertreten. Als Repräsentant des Landesverbandes Baden-Württemberg im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ist dessen Geschäftsführer, Herr Dr. Martin Lunitz, anwesend.
Durch das Entgegenkommen und mit tatkräftiger Unterstützung der Hochschule Pforzheim ist es möglich geworden, die Gedenkveranstaltung in diesem Raum, dem Walter-Witzenmann-Hörsaal, durchzuführen. Dafür danke ich dem Hausherrn, Herrn Rektor Professor Dr. Martin Erhardt, der sich unter uns befindet, sehr herzlich.
Mein Gruß gilt den zahlreichen Mitgliedern des Gemeinderates der Stadt Pforzheim.
Stellvertretend für die Fraktionen darf ich begrüßen die Herren Stadträte Florentin Goldmann, Jens Kück und Bernd Zilly. Die engen Beziehungen der Stadt Pforzheim zum benachbarten Enzkreis bestätigt durch sein Kommen Herr Landrat Karl Röckinger, der gemeinsam mit Herrn Dr. Heinz Reichert, früherer Landrat dieses Kreises, bei uns ist.
Unter uns befinden sich Repräsentanten der hiesigen Schulen und Bildungseinrichtungen, der Vereine insbesondere der Deutsch-Französischen Gesellschaft, der Kirchen sowie der Israelitischen Kultusgemeinde Pforzheim.
Nicht zuletzt gilt mein Gruß auch Herrn Herbert Richter, ein Pforzheimer Bürger, der sich als Mäzen tatkräftig für die deutsch-französische Freundschaft einsetzt und u.a. durch hohe Auszeichnungen des französischen Staates gewürdigt wurde.
Sehr geehrte Herren und Damen,
zwei Bleistiftzeichnungen, von denen die eine einen jungen Mann in französischer Uniform zeigt, die andere ein kleines Landhaus mit der Unterschrift „ma maison cherie“; Zettel mit Kochrezepten und schließlich die handgemalte Skizze einer Frankreichkarte mit der Unterschrift: „Vive la France!“
Wir können uns, ein jeder für sich selbst, ein Bild davon machen, welche Vorstellungen vom künftigen Lebensweg die Besitzerin dieser Papiere hatte, welche Hoffnungen sie hegte oder welche Träume sie träumte. Keine dieser Vorstellungen und Hoffnungen, keiner der Träume ging für sie je in Erfüllung. Stattdessen wurde die Französin, an deren Leiche die genannten letzten Zeugnisse ihres Lebens gefunden wurden, im Alter von 21 Jahren hinterrücks durch einen Genickschuß ermordet. Dieser Mord geschah unweit von hier, an einem Bombentrichter. Und es war nicht der einzige: gemeinsam mit der jungen Frau wurden 24 weitere Franzosen im Alter zwischen 21 und 68 Jahren kaltblütig erschossen. Ein knappes Jahr zuvor, auf den Tag genau heute vor 64 Jahren, waren die meisten von ihnen ins Pforzheimer Gerichtsgefängnis an der Rohrstraße eingeliefert worden. Als Inhaftierungsgrund geben die überlieferten Gefängnisbücher „Gestapo“ an. Die Gefangenen waren Mitglieder der „Réseau Alliance“, eines militärischen Nachrichtendienstes des französischen Widerstands gegen die deutsche Besatzung. Nach ihrer Verhaftung durch die Geheime Staatspolizei in Frankreich wurden sie in verschiedene Gefängnisse in Baden und Württemberg gebracht. In einem Scheinverfahren sollten sie vor Gericht schuldig gesprochen und zum Tod verurteilt werden. Als die Alliierten vorrückten, wurde der hierfür vorgesehene Gerichtshof aus dem sächsischen Torgau nach Freiburg im Breisgau verlegt. Als auch hier die Besetzung durch alliierte Truppen absehbar war, wurden alle bislang nicht Verurteilten in sogenannten Nacht- und Nebelaktionen ermordet. Die 25 im Pforzheimer Gefängnis einsitzenden Männer und Frauen wurden am 30. November 1944 aus ihren Zellen geholt. Indem sie im Register zur Haftentlassung unterschreiben sollten und zehn Reichsmark überreicht bekamen, wurde ihnen perfiderweise die ersehnte Freilassung vorgetäuscht. Denn der Lastwagen, in den sie einstiegen, fuhr nicht in die Freiheit, sondern die Fahrt endete unweit von hier. Der Traum eines glücklichen Lebens in einem befreiten Frankreich, in einem bescheidenen Landhaus der Bretagne – er endete jäh im Hagenschießwald bei Pforzheim.
Die Mitglieder der „Réseau Alliance“ träumten indes nicht allein von privatem Glück.
Sie, die aus allen Teilen Frankreichs kamen, unterschiedlicher Herkunft waren und diverse Berufe ausübten, sie alle vereinte die Überzeugung, gegen das nationalsozialistische Gewaltregime, das sich bereits über weite Teile Europas erstreckt hatte, vorgehen zu müssen. Im Glauben an ein freies Frankreich in einem befreiten Europa gaben die Frauen und Männer der „Réseau Alliance“ ihr bisheriges Leben für den Kampf gegen einen Gegner, von dessen verbrecherischen Methoden sie wissen mussten. Derart feste Überzeugungen und mutige Tatkraft gab es selten, viel zu selten. Wenngleich es aus allen Schichten und von unterschiedlicher politischer Überzeugung getragen deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus gab, überwogen hier die Mitläufer, welche, solange sie nicht selbst Verfolgung befürchten mussten, sich ihrer eigenen Freiheit berauben ließen. Es gab auch diejenigen, die unter dem Nationalsozialismus und insbesondere unter dem von diesen losgetretenen Krieg litten, und es gab die Befehlsempfänger, die aus teils fanatischer Überzeugung, teils aus mangelndem Urteilsvermögen bislang unvorstellbare Taten begingen.
Einer der Mörder der „Réseau Alliance“-Mitglieder, SS-Obersturmführer Julius Gehrum, gab bei seiner Vernehmung nach Kriegsende an, er habe „nach einem übergeordnetem Befehl“ gehandelt, dem er „als disziplinierter Offizier gehorchen musste“. Ein Militärgericht in Straßburg verurteilte Gehrum 1947 wegen Kriegsverbrechen zum Tode, das Urteil wurde vollstreckt.
In den Jahren nach Kriegsende ist lange Zeit wenig über die Geschehnisse im Hagenschieß gesprochen worden. Die Mehrheit der Bürger und Bürgerinnen unserer Stadt sollte erst Monate später von dem grausamen Verbrechen erfahren. Die nur notdürftig mit Ästen und Erde bedeckten Leichen wurden am 25. Mai 1945 exhumiert und zwei Tage später auf dem Hauptfriedhof beigesetzt. Die französische Militärregierung ordnete an, dass die Bevölkerung von Pforzheim an dem Massengrab vorbei gehe, „um sich zu überzeugen, welcher Verbrechen die Nazis fähig waren“.
Der Anblick der teilverwesten Leichen war eine der ersten Konfrontationen der Pforzheimer mit den menschenverachtenden Greueltaten, die in der jüngsten Vergangenheit auch in ihrem Namen begangen worden waren. Doch behielten sie die Erinnerung hieran unter Verschluss. Der Beamte der Stadt, der 1947, als die Leichen der im Hagenschieß Ermordeten endlich einer würdigen Bestattung in ihrem Heimatland überführt wurden, der „Mémorial de l’Alliance“ eine Rechnung über die Kosten zukommen ließ, ist ein Beleg für den gedankenlosen, leichtfertigen Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit.
Internationale Zeitungen berichteten von dieser „Geschmacklosigkeit“. Viele Jahre sind verstrichen, ehe auf Initiative mehrerer Mitglieder des Pforzheimer Gemeinderates über die Fraktionsgrenzen hinweg und weiterer engagierter Pforzheimer Bürger der Erinnerung an die „Réseau Alliance“ nun öffentlich Ausdruck verliehen wird. „Bewegt und beschämt“ über die Ereignisse enthüllen wir heute den Gedenkstein unweit des damaligen Geschehens. Wir wollen der Erinnerung endlich eine Form und den Toten ihre Gesichter zurückgeben, als „Mahnung für die jetzigen und künftigen Generationen“ und um „die Erinnerung an die Opfer wach zu halten“.
Dabei wollen wir in erster Linie der Toten der „Réseau Alliance“ gedenken; doch neben der Erinnerung an deren Mut muss auch an die Grausamkeit der Gestapo erinnert werden. Dann werden wir endlich dem Wunsch gerecht, der von französischer Seite bei der Beisetzung der „Réseau Alliance“-Toten 1947 geäußert wurde, nämlich, dass das Opfer der „Réseau Alliance“-Mitglieder nicht vergebens war, sondern vielmehr der Nachwelt die Schreckenstaten der Nazis vor Augen geführt hat: «Français, vous n’etes pas morts en vain! Votre sacrifice aura servi à montrer les horreurs commises par les Nazis! La France et le monde ne vous oublieront pas!»
Mes chers amis de France,
Ich habe mich mit den Geschehnissen, derer wir heute gedenken, lange aus deutscher Perspektive aufgehalten. Aber ich bin auch nur berufen, aus dieser Sicht zu sprechen. Die Trauer, welche Sie empfinden, insbesondere diejenigen unter Ihnen, die seinerzeit Angehörige, Freunde und Kameraden verloren haben, ist unermesslich.
Wir wissen, dass diejenigen, die geholfen haben, den Zweiten Weltkrieg, die nationalsozialistische Gewaltherrschaft, und das Sterben in den Konzentrationslagern zu beenden, auch für uns Deutsche gestorben sind.
Lassen Sie uns nun alle gemeinsam zur Enthüllung des Gedenksteines gehen.
P.S. Es freut uns ausserordentlich dass nun offenbar die Zeit des"aktiven Ignoriens" rechter Aktivitäten vorbei zu sein scheint
Und das ganze nicht eine Eintagsfliege bleibt, denn der 23.2. naht mit riesen Schritten und da wäre endlich mal ein breites Bündnis aller Demokraten das einzig wahre, um dem braunen Spuk ein Ende zu bereiten....
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