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Heidenheim: Stumme Diskussion im Bundestag um ein Denkmal für Elser in Berlin


Im Bundestag fand eine Art Stummdebatte statt über den Antrag, dem Hitler-Attentäter Elser auch in Berlin ein Denkmal zu errichten- unter Verantwortung des Bundes.Die Debatte fand lautlos statt durch Abgabe der imaginären Reden zu Protokoll.

 



CDU und FDP trauten sich nicht, etwas gegen Elser zu sagen- etwa in der Richtung des Professor Fritzen, der vor Jahr und Tag einem einfachen Arbeiter die Übersicht und die Kenntnisse absprach, eine Entscheidung über Leben und Tod anderer und das Schicksal des Reiches zu treffen.

Man gab diskret zu bedenken, dass es schon viele Denkmäler gebe, darunter eines das wie in der katholischen Kirche Allerheiligen für alle etwa vergessenen zu stehen habe. An der Hauptwache. Kohls monumentale Hinterlassenschaft.

Dazu noch obligatorische Hinweise auf die DDR, in der angeblich Elser nicht genannt werden durfte, weil er nicht im Parteiauftrag gehandelt hätte. Darüber ist nachträglich nichts mehr Sachdienliches zu erfahren. Es trägt allerdings auch nichts zur Beanworung der Frage nach einem Denkmal bei.

Für die antragstellende LINKE stellte Luc Jochimsen die Gründe des Antrags klar:

Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE):

Wer war Georg Elser? Der Sohn eines Bauern und Holzhändlers aus Württemberg, Jahrgang 1903, Volksschüler, Schreinerlehrling, der die Gesellenprüfung 1922 als Jahrgangsbester besteht, Tischler und Uhrmacher. Als die Weltwirtschaftskrise ausbricht, wird er Mitglied im Rotfrontkämpferbund. Ab 1936 ist er Hilfsarbeiter in einer Heidenheimer Armaturenfabrik und erfährt dort von der Rüstungsproduktion im Auftrag der Nationalsozialisten. 1938 erlebt er eine Gedenkveranstaltung der NSDAP zum Hitler-Putsch. Das ist der historische Augenblick für seinen Entschluss, Hitler durch ein Attentat umzubringen. Er allein. "Einer muss es doch machen", war seine Begründung. Ein Einzelner. Ein Einzelner, der als Erster viereinhalb schrecklich lange Kriegsjahre vor Stauffenberg und der Gruppe des 20. Juli versucht hat, Deutschland von seinem Diktator zu befreien und den gerade begonnen Krieg zu beenden. Das Sprengstoff-Attentat am 8. November 1939 im Münchener Bürgerbräukeller misslingt, weil Hitler wenige Minuten vor der Explosion den Versammlungssaal verlässt.

Georg Elser wird noch am gleichen Tag verhaftet und gesteht am 13. November, die Tat allein geplant und durchgeführt zu haben. Zitat aus dem Verhör: "Die seit Herbst 1933 in der Arbeiterschaft von mir beobachtete Unzufriedenheit und der von mir seit Herbst 1933 vermutete unvermeidliche Krieg beschäftigten stets meine Gedankengänge. ... Ich stellte allein Betrachtungen an, wie man die Verhältnisse der Arbeiterschaft bessern und einen Krieg vermeiden könnte. Die von mir angestellten Betrachtungen zeitigten das Ergebnis, dass die Verhältnisse in Deutschland nur durch eine Beseitigung der augenblicklichen Führung geändert werden könnten. Unter der Führung verstand ich die Obersten, ich meine damit Hitler, Göring und Goebbels. Durch meine Überlegungen kam ich zu der Überzeugung, dass durch die Beseitigung dieser drei Männer andere Männer an die Regierung kommen, die an das Ausland keine untragbaren Forderungen stellen, die kein fremdes Land einbeziehen wollen und die für eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse der Arbeiterschaft Sorge tragen werden."

Nach dem Eingeständnis der Tat wird Georg Elser vier Jahre lang im KZ Sachsenhausen und im KZ Dachau immer wieder verhört und gefoltert und am 9. April 1945 - einen Monat vor der bedingungslosen Kapitulation - erschossen.

Warum sollten wir, müssen wir dieses Mannes im Jahr 2008 ff. - mehr als hundert Jahre nach seiner Geburt und mehr als sechzig Jahre nach seinem Tod - gedenken, und zwar in Berlin im nationalen Rahmen? Der Grund ist beschämend: weil genau dies in den vergangenen Nachkriegs-Jahrzehnten unterblieb. Ich zitiere Peter Steinbach und Johannes Tuchel aus der "Frankfurter Rundschau" vom 18. November 1999: "Georg Elser hatte keiner Elite angehört, der man das Recht auf Widerstand zubilligte; keine gesellschaftliche Großgruppe setzte sich für sein Andenken ein. Er blieb Werkzeug der Machthaber, nicht aber ein Mensch, der sich selbst in Übereinstimmung mit seinem Gewissen einen Handlungsauftrag gegeben hatte. ... Lange Zeit wurde übrigens in beiden Teilen Deutschlands nicht akzeptiert, dass ein Arbeiter ohne Rücksicht auf sich und seine unmittelbaren Angehörigen eine Tat bis ins Detail geplant, gewagt und durchgeführt hatte, zu der sich andere weder 1939 noch später entschließen konnten."

"In der Bundesrepublik war Elsers Widerstand gegen den Nationalsozialismus nach 1945 noch umstrittener als die gesamte Gegnerschaft zum Regime. Immer wieder rankten sich um seine Tat neue Gerüchte. Diffamierungen aus der NS-Zeit wirkten fort und überlagerten sich nicht selten mit teils bizarren Nachkriegsdeutungen. Georg Elser war eine Herausforderung: Er machte deutlich, dass ein einfacher Mann aus dem Volke sich zu einer weltgeschichtlichen Tat aufraffen konnte. Er strafte all jene Lügen, die sich weiterhin einredeten, sie hätten dem Terror des NS-Staates nichts entgegensetzen können. Der Durchschnittsbürger, das zeigte Elsers Beispiel, war keineswegs zum Mitläufer bestimmt - er konnte dem Rad des Staates durchaus in die Speichen greifen."

"Kein Denkmal erinnert an ihn" heißt es am Ende des Films "Georg Elser - Einer aus Deutschland" von Klaus Maria Brandauer aus dem Jahr 1989.

Zwar hat es seitdem eine große Ausstellung über Georg Elser gegeben, die in Berlin und 33 anderen Städten Deutschlands zu sehen war und heute den Mittelpunkt der Elser-Gedenkstätte in Königsbronn darstellt; zwar gibt es eine Gedenktafel in München, einen Gedenkstein in Heidenheim, eine Schule mit seinem Namen, ein Archiv und sogar eine Sonderbriefmarke, aber in Berlin erinnert an dieses Vorbild des Deutschen Widerstands bisher nichts.

Seit Jahren plädiert Rolf Hochhuth dafür, Georg Elser mit einem Denkmal in Berlin zu ehren. Er begründet das so: "Elser war der Einzige von 80 Millionen, der klar genug geblieben war, um zumindest den Versuch zu unternehmen, Hitler umzubringen". Und es war Rolf Hochhuth, der im Februar dieses Jahres dem Berliner Abgeordnetenhaus vorgeschlagen hat, ein Denkzeichen für Georg Elser an zentraler, öffentlich zugänglicher Stelle zu errichten - auf dem Terrain der früheren Reichskanzlei. Also, Ehre dem einsamen Attentäter, der Vorbild gerade für moderne Menschen sein könnte.

Die Linksfraktion im Bundestag sieht in diesem Vorschlag ein gesamtgesellschaftliches Anliegen - und keine Sache Berlins allein. Eine Ehrung Elsers mit vorhergehender breiter gesellschaftlicher Diskussion würde die politische Kultur der Bundesrepublik bereichern. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf: im Einvernehmen mit dem Land Berlin die Trägerschaft für eine Ehrung von Johann Georg Elser zu übernehmen; eine Konzeption vorzulegen, in der dargestellt wird, wie und an welchen Orten im Umfeld des Deutschen Bundestages die bislang nicht erinnerten Opfer des verbrecherischen NS-Regimes (zum Beispiel die sowjetischen Kriegsgefangenen, die osteuropäische Intelligenz unter anderem) geehrt werden sollten; darzustellen, wie die Breite des politischen Widerstandes auch außerhalb der mit dem 20. Juli 1944 verbundenen Gedenkstätte Deutscher Widerstand im Berliner Stadtraum erinnert werden kann und in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob tatsächlich und gegebenenfalls auf welche Weise der Ort der früheren Reichskanzlei als der eigentlichen politischen Machtzentrale des NS-Regimes in das öffentliche Bewusstsein der Topografie des NS-Terrors eingefügt werden kann und sollte.

Dazu sollte im Ausschuss für Kultur und Medien eine Anhörung stattfinden mit: Klaus Maria Brandauer, Rolf Hochhuth, Prof. Jutta Limbach, Prof. Peter Steinbach, Prof. Johannes Tuchel und anderen. Bedauerlich, dass unter den Historikern, die für das Denkmal eintraten, immer nur Hochhuth erwähnt wurde, nie aber Helmuth Hassis mit seinem grundlegenden Werk “den Hitler jag ich in die Luft” -immer noch gebunden und als Taschenbuch erhältlich. Haasis zeigt meiner Kenntnis nach am ausführlichsten und genauesten, dass Elser zwar notgedrungen seine Tat allein plante und ausführte, nicht aber, ohne gründliche Erkundigungen eingezogen zu haben über die Lage der Arbeiterklasse im angeblich für diese so günstigen Dritten Reich. Er verschaffte sich ein stillschweigendes Mandat und genau die Kenntnisse, die Dozent Fritzen an ihm vermisste, jedem beliebigen General aber zuerkannte.

Wichtiger als das geplante Denkmal selbst wäre eine allgemeine Diskussion über seine Berechtigung und seine Ausführung.

Wäre Hrdlicka noch im Besitz der Kraft seiner Arme, wäre er vielleicht der Berufenste dafür gewesen. In der Richtung seines Denkmals für Engels in Bielefeld, in welchem auf wunderbare Weise das Individuelle sich verbindet mit dem Drängen eines Kollektivs, das “mit Macht zum Durchbruch” drängt, um mit den Worten der Internationale zu reden.
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Und bei uns in Pforzheim ?

Es gibt hier weder eine Geschwister Scholl-Schule wie in viele bundesdeutschen Städten noch einen Georg-Elser Platz wie in Konstanz. Beschämend und  eigentlich ein demokratisches  Armutszeugnis einer Stadt , die sich in Bauchnabelschau (23.2.45) gefällt...

 

Quelle: Bundestagsprotokoll vom 5.6.08
www.stattweb.de

Näheres: www-goerg-elser-arbeitskreis.de 

15.06.2008

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