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Leserbriefe

Haushaltsrede für die Fraktion Wir in Pforzheim (Claus Spohn + Christof Weisenbacher)

Bild:

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Boch,
sehr geehrte Bürgermeisterin und Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Besucher:innen,
der Bund verhängt eine Haushaltssperre und stoppt die
Finanzierungsfonds für Wirtschaft, Klima und
Transformation. Deutschland ist in der Rezession. CDU
und FDP wollen in die Rezession hineinsparen - und
natürlich bei den vermeintlich teuren Sozialausgaben.
Die Schuldenbremse soll nicht ausgesetzt werden. Man
hält aus ideologischen Gründen an ihr fest.
Diese finanz- und wirtschaftspolitische Geisterfahrer-
Politik der neoliberalen Schule wird nicht nur
zukünftige Generationen mit einer
heruntergekommenen Infrastruktur, mit mehr Armut
und weniger Bildungsgerechtigkeit belasten, sondern
sie wird insbesondere Kommunen wie Pforzheim
massiv betreffen.
Denn der vorliegende Haushalt dokumentiert:
Pforzheim ist nicht ausreichend finanziert.
Umfangreiche Investitionen in unsere Infrastruktur wie
Kita, Schulen, Bäder, Brücken etc. sind dringender als
es die aktuelle Planung im Haushalt vorsieht. Die
Kinderarmut in unserer Stadt steigt seit Jahren. Der
Anteil der Menschen, die an oder unterhalb der
Armutsgrenze leben, steigt ebenfalls seit Jahren. Nicht
zuletzt hat die Klingel-Pleite große Auswirkungen auf
den lokalen Arbeitsmarkt.
Und meine Damen und Herren, hinzukommt: Beim
städtischen Personal herrscht ebenfalls eine
Verwaltung des Mangels. Hunderte Stellen sind
unbesetzt. Für Sie, Herr Oberbürgermeister, ein Grund
keine neuen Stellen zu schaffen. Allerdings ist uns völlig
unklar in welchen Bereichen Sie Schwerpunkte bei der
Besetzung von Stellen setzen wollen. Die Ämter haben
immerhin über 250 neue Stellen beantragt. In Ihrer
Haushaltsrede haben wir hierzu nichts gehört. Wir
fordern die transparente Darstellung der unbesetzten
Stellen bei Pflichtaufgaben und freiwilligen Aufgaben,
plus einen Bedarfsabgleich und die Mitgestaltung beim
Schwerpunkt der Besetzungen.

Ein Schwerpunkt bei den Stellenbesetzungen ist
politisch notwendig.
Außerdem fordern wir: Die Stadt muss massiv in die
Gewinnung von Fachkräften investieren. Wir finden,
Trinkflaschen mit PF Logo als Goodies, wie im
Personalbericht genannt, sind dazu nicht das richtige
Mittel. Die drei folgenden Maßnahmen sind notwendig
und zielführend:
1. möglichst flexible Gestaltung der Arbeits- und
Urlaubszeiten
2. die Ausweitung geldwerter Vorteile und
3. der Ausbau des mobilen Arbeitens, mit dem Sie
jetzt beginnen.
Unseren Antrag, dass Mitarbeiter:innen in sog.
Mangelberufen wie z.B. Kitas, Bäder oder
Ausländerbehörde höher eingruppiert werden und
städtischen Mitarbeiter:innen Kitaplätze und
Wohnungen angeboten werden als Incentive haben Sie
abgelehnt.
In dem Zusammenhang ist das Top-Thema Integration
in unserer Stadt zentral. Wir weisen seit Jahren darauf
hin, dass sich das Gesicht unserer Stadt in den nächsten
20 Jahren ändern wird. Die Menschen, die zu uns
kommen und schon da sind, viele aus Osteuropa,
Geflüchtete aus der Ukraine, Syrien, Irak, Afghanistan
und insbesondere die UMAs, unbegleitete
Minderjährige Ausländer, müssen wir viel stärker
unterstützen und begleiten bei der Integration in
unsere Gesellschaft - das betrifft Bildung, Sprache und
Arbeit. Denn sie werden unsere Stadtgesellschaft in
den nächsten Jahren entscheidend prägen. Deshalb ist
die ausreichende personelle Ausstattung der
Verwaltung in den zuständigen Ämtern zu UMAs (JSA),
Ausländerbehörde, Integrationsmanagement, Soziale
Dienste, Schulen und Kitas unbedingt notwendig. Auch
dazu haben Sie sich, Herr Oberbürgermeister, nicht
wirklich in Ihrer Rede geäußert. Es gibt keine Initiative
zum Thema Integration von der Verwaltungsspitze. Die
Mittel zum Integrationsmanagement laufen nächstes
Jahr einfach aus. Ihre Forderung nach einer
Erstaufnahmestelle, die Sie als vermeintliche „Lösung"
gut finden, war kommunikativ eine Totgeburt und
politisch ein Reinfall.
Gleichzeitig befeuern Sie mit solchen Themen die
politische Rechte. Pforzheim ist bekannt als Hochburg
der rechtsextremistischen AfD, als die Stadt in Baden-
Württemberg, in der sich Rechtsextremisten:innen,
Reichsbürger:innen und Querdenker:innen auf
Demonstrationen seit Jahren begegnen und vernetzen
können, um die Abschaffung unserer demokratischen
Grundrechte zu planen.
Auch bei diesem Thema geht
keine Initiative von Ihnen aus. Es gibt kein städtisches
Programm dazu, keine Stärkung der demokratischen
Bildung, eine geförderte Antidiskriminierungsstelle
lehnen Sie sogar ab. Wir fordern die bessere finanzielle
und personelle Ausstattung des Regionalen
Demokratiezentrums, um in dieser wichtigen
politischen Bildungsarbeit als Kommune
Verantwortung zu übernehmen.

Und was fällt Ihnen, Herr Oberbürgermeister, zu
Finanz-, Wirtschaft- und Arbeitsmarktpolitik ein? Sie
wollen die Gewerbesteuer um 5 Punkte senken. Da ist
sie wieder, die Geisterfahrer-Politik.
Meine Damen und Herren, Pforzheim hat, entgegen
anderen Behauptungen, seit Jahren ein
Einnahmeproblem! Wer die Steuereinnahmekraft pro
Einwohner:innen der Städte in BaWÜ vergleicht, stellt
fest: Pforzheim ist fast immer letzter im Ranking.
Für die Stadt sind es 1 Mio.€ Einnahmen pro Jahr, die
wegfallen. Für die Unternehmen fallen die 5 Punkte im
Grunde nicht ins Gewicht. Viel wichtiger für die
Unternehmen, mit denen wir sprechen, ist eine
effiziente, digital und personell gut ausgestattete
Verwaltung. Davon sind wir meilenweit entfernt.
Eine personell richtig ausgestattete und effizient
arbeitende Ausländerbehörde, die Geflüchtete und
Ausländer:innen schnell in Arbeit und Ausbildung
bringt, wäre viel wertvoller für den Pforzheimer
Arbeitsmarkt als 5 Punkte Gewerbesteuersenkung.
Dass Sie, Herr Oberbürgermeister, in dieser Frage keine
Initiative ergreifen, ist für uns und viele Menschen in
Pforzheim unbegreiflich. Da ist eine Online-
Terminvergabe für die KFZ-Zulassungsstelle wichtiger
als dieselbe Funktion für die Ausländerbehörde. Autos
sind wichtiger als Ausländer:innen. Das ist die
Botschaft, die bei den Menschen ankommt. Die
politische Prioritätensetzung spricht für sich.
Meine Damen und Herren, wir fordern die Erhöhung
der Mittel für kommunale Beschäftigungsförderung.
Denn der Pforzheimer Arbeitsmarkt ist prekär. Eine
Ansiedlungspolitik mit Fokus auf Arbeitskräfte pro
Quadratmeter Gewerbefläche und Zukunftssektoren
wäre seit Jahren dringend notwendig.
„Boden behalten, Pforzheim gestalten". Diesen Leitsatz
stellen wir uns für die Stadtentwicklung in Pforzheim
vor, angelehnt an den Spruch der Basler
Bodeninitiative, den viele Städte in Deutschland,
Österreich und der Schweiz übernommen haben.

Wir fordern eine Strategie für den Erwerb und die
Veräußerung von Grundstücken. Nachhaltiges
Flächenmanagement und Bodenpolitik muss das Ziel
sein. Auf dieser Basis müssen wir bezahlbaren und
sozial gebundenen Wohnraum schaffen. Ein städtisches
Versagen wie bei der Papierfabrik darf sich nicht
wiederholen.
Darüber hinaus sind wichtige Zukunftsthemen für
unsere Stadt:
- Klimaneutrale Verwaltung bis 2030 hat der
Gemeinderat beschlossen. Mittel dafür haben wir
im Haushalt nicht gefunden.
- Klimafolgenanpassungsmanagement ist für
zukünftige Generationen elementar. Aber
Maßnahmen, die wirken, sind nicht erkennbar. Von
generationengerechter Politik kann keine Rede
sein.
- Die Trinkwasserversorgung in Pforzheim und
Region ist durch den Klimawandel gefährdet, sagt
der Masterplan des Landes. Herr
Oberbürgermeister, als Aufsichtsratsvorsitzender
der SWP, tragen Sie hier wesentliche
Verantwortung. Das von Niefern beabsichtigte
Gewerbegebiet Reisersweg direkt an unseren
Trinkwasserbrunnen müssen wir unbedingt
verhindern. Sorgen Sie dafür, dass die SWP eine
nachhaltige Wasserstrategie erstellt.
Wir werden die Haushaltsberatungen natürlich kritisch
begleiten und zu den genannten Themen Anträge
einbringen.
Wir danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in
der Verwaltung, insbesondere Herrn Weber und
seinem Team für die Erstellung des Haushalts und der
Begleitung in den nächsten Tagen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

04.12.2023

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